Ein Muskelfaserriss gehört zu den häufigsten Sportverletzungen und tritt in der Regel bei plötzlichen, intensiven Belastungen oder abrupten Bewegungen auf, wie zum Beispiel bei schnellen Sprints, Sprüngen oder abrupten Richtungswechseln. Dabei kommt es zu einem Riss einzelner Muskelfasern, was starke Schmerzen und eine eingeschränkte Funktion des betroffenen Muskels verursacht. Um die Heilung optimal zu unterstützen und eine frühzeitige Wiederherstellung der Beweglichkeit zu fördern, spielt die Physiotherapie eine zentrale Rolle in der Behandlung eines Muskelfaserrisses.
Was ist ein Muskelfaserriss?
Ein Muskelfaserriss entsteht, wenn die Belastung auf den Muskel plötzlich so groß wird, dass einzelne Fasern oder Faserbündel reißen. Dies geschieht vor allem bei explosiven Bewegungen, wie z. B. beim Sprinten, Springen oder bei abrupten Stops und Richtungswechseln. Typische Symptome sind ein plötzlich auftretender, stechender Schmerz, ein Spannungsgefühl sowie eine sofortige Funktions- und Kraftminderung im betroffenen Muskel. Ein Muskelfaserriss kann durch äußere Faktoren wie unzureichendes Aufwärmen oder mangelnde Dehnbarkeit begünstigt werden.
Ziele der Physiotherapie bei Muskelfaserrissen
Die physiotherapeutische Behandlung hat das Ziel, die Heilung zu fördern, die Funktion des Muskels wiederherzustellen und Folgeverletzungen vorzubeugen. Dabei stehen folgende Schwerpunkte im Mittelpunkt:
• Schmerzlinderung und Entzündungshemmung
• Wiederherstellung der Beweglichkeit und Muskelkraft
• Vermeidung von Narbenbildung und Verklebungen
• Verbesserung der Muskelkoordination und -stabilität
• Verkürzung der Rehabilitationszeit und frühzeitige Rückkehr zur sportlichen Aktivität
Akutphase: Die ersten Tage nach dem Muskelfaserriss
In der akuten Phase (die ersten 48 bis 72 Stunden nach der Verletzung) steht die PECH-Regel (Pause, Eis, Kompression, Hochlagern) im Vordergrund. Die Physiotherapie konzentriert sich in dieser Phase auf Maßnahmen, die den Heilungsprozess unterstützen und eine Ausweitung der Verletzung verhindern:
1 Schonung und Entlastung: Der verletzte Muskel sollte in den ersten Tagen geschont und nicht belastet werden. Eine schmerzarme Positionierung und Entlastung des betroffenen Bereichs sind wichtig, um den Heilungsprozess einzuleiten.
2 Kältetherapie: Die Anwendung von Eispackungen reduziert Schwellungen und lindert akute Schmerzen. Kälteanwendungen sollten jedoch nicht direkt auf die Haut gelegt werden, um Erfrierungen zu vermeiden.
3 Sanfte Kompression und Hochlagerung: Ein elastischer Verband kann den betroffenen Bereich stabilisieren und Schwellungen minimieren. Das Hochlagern der betroffenen Extremität fördert zusätzlich den Abfluss von Gewebsflüssigkeit.
Subakute Phase: Ab der 1. bis 3. Woche
In der subakuten Phase beginnt die eigentliche physiotherapeutische Behandlung. Der Fokus liegt nun darauf, die Mobilität und Funktion des Muskels schrittweise wiederherzustellen, ohne den Heilungsprozess zu gefährden:
1 Sanfte Mobilisation: Durch vorsichtige Mobilisationsübungen wird die Beweglichkeit des verletzten Bereichs gefördert. Dies kann passiv (durch den Therapeuten geführt) oder aktiv (vom Patienten selbst durchgeführt) geschehen, jedoch immer im schmerzfreien Bereich.
2 Manuelle Lymphdrainage: Diese sanfte Technik hilft, Schwellungen abzubauen und den Stoffwechsel im verletzten Bereich zu unterstützen.
3 Wärmeanwendungen (nach Rücksprache): Nach der Akutphase können moderate Wärmeanwendungen helfen, die Durchblutung zu fördern und die Heilung zu unterstützen.
4 Narbenbehandlung: Sollte sich bereits eine Narbenbildung abzeichnen, wird durch spezielle Massagetechniken einer Verklebung des Gewebes entgegengewirkt. Dies ist wichtig, um die Elastizität und Funktionalität des Muskels zu erhalten.
Aufbauphase: Ab der 3. bis 6. Woche
In dieser Phase liegt der Schwerpunkt auf dem schrittweisen Muskelaufbau und der Wiederherstellung der vollen Beweglichkeit. Es werden Übungen eingesetzt, die die Stabilität und Kraft des betroffenen Muskels fördern, ohne das Gewebe zu überlasten:
1 Kräftigungsübungen mit geringer Intensität: Übungen mit dem eigenen Körpergewicht oder leichten Widerständen (z. B. Therabänder) helfen, die Muskulatur wieder aufzubauen. Dabei werden vor allem isometrische Übungen (ohne Muskelverkürzung) empfohlen, um den Muskel zu aktivieren, ohne ihn zu stark zu belasten.
2 Exzentrisches Training: Speziell bei Muskelfaserrissen ist das exzentrische Training (das kontrollierte Nachgeben des Muskels unter Belastung) eine effektive Methode, um die Muskelfasern neu auszurichten und die Kraft wiederherzustellen.
3 Dehnübungen: Vorsichtige, schmerzfreie Dehnübungen fördern die Flexibilität und helfen, die Beweglichkeit des Muskels zu verbessern.
Spätphase: Rückkehr zur vollen Belastung
Ab der 6. Woche, je nach Heilungsverlauf, kann mit der intensiveren Wiederherstellung des Muskelgleichgewichts begonnen werden. Ziel ist es, den betroffenen Muskel auf die ursprüngliche Belastung vorzubereiten:
1 Sportartspezifisches Training: Für sportlich aktive Patienten werden Bewegungsabläufe und Übungen eingesetzt, die auf die jeweiligen sportlichen Anforderungen zugeschnitten sind. Das beinhaltet beispielsweise Sprintübungen, Sprünge oder Richtungswechsel.
2 Plyometrisches Training: Übungen, die schnelle Dehnungs- und Kontraktionsphasen des Muskels beanspruchen, wie Sprungübungen, helfen, die Reaktionsfähigkeit und Kraft des Muskels zu verbessern.
3 Propriozeptives Training: Übungen zur Verbesserung der Körperwahrnehmung und Muskelkoordination sind wichtig, um das Verletzungsrisiko bei erneuter Belastung zu minimieren.
Prävention: So lassen sich Muskelfaserrisse vermeiden
Nach einem Muskelfaserriss ist es wichtig, präventiv zu arbeiten, um das Risiko eines erneuten Risses zu minimieren. Regelmäßiges Kraft- und Dehnungstraining sowie eine gute Aufwärmphase vor sportlichen Aktivitäten reduzieren das Risiko. Außerdem sollte auf die richtige Technik bei sportlichen Bewegungen geachtet werden, um Überlastungen und Fehlbelastungen zu vermeiden.
Fazit
Ein Muskelfaserriss ist eine schmerzhafte und einschränkende Verletzung, die jedoch mit einer gezielten physiotherapeutischen Behandlung gut ausheilen kann. Durch eine strukturierte Physiotherapie wird die Heilung gefördert, die Muskelkraft wieder aufgebaut und das Risiko für erneute Verletzungen gesenkt. Entscheidend ist, die Belastung schrittweise zu steigern und auf die Signale des Körpers zu achten, um eine vollständige Genesung zu ermöglichen und die Rückkehr zum Sport oder Alltagsaktivitäten zu erleichtern.